Von:
x
An:
Geschäftsstelle des Rundfunkrates
Appellhofplatz 1
50667 Köln
Sehr geehrte Damen und Herren,
hiermit reiche ich eine:
BESCHWERDE AN DEN RUNDFUNKRAT
hinsichtlich:
der „hart aber fair“-Sendung „Handy an, Hirn aus - wie doof machen uns Apple und Co.?“,
- ausgestrahlt am 04.02.2013 um 21:00 durch die ARD sowie
- online abrufbar unter „
http://www.wdr.de/tv/hartaberfair/sendu ... index.php5“ (Stand: 24.02.1013).
wegen Verstößen gegen:
Rundfunkstaatsvertrag und
WDR-Gesetz
namentlich:
der im Rundfunkstaatsvertrag normierten Wahrheitspflicht (§ 10 Abs. 1 S. 2 RStV):
„Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Wahrheit und Herkunft zu prüfen.“
der im Rundfunkstaatsvertrag enthaltenen Berichtigungspflicht (§ 10 Abs. 1 S. 1 RStV):
„Berichterstattung und Informationssendungen haben den anerkannten journalistischen Grundsätzen […] zu entsprechen.“
der im WDR-Gesetz normierten Wahrheitspflicht (§ 5 Abs. 1 und 6 S. 2 WDR-Gesetz):
„Der WDR soll […] der Wahrheit verpflichtet sein.“
„Nachrichten sind vor ihrer Verbreitung mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf Inhalt, Herkunft und Wahrheit zu prüfen.“
ein.
Begründung
I. Anforderungen
Nach den genannten Vorschriften muss sich die Sendung an den folgenden Maßstäben messen lassen:
1. Pflicht zur Wahrheit
Die Presse ist von verfassungswegen allgemein zu einer wahrheitsgemäßen Berichterstattung angehalten.
Den Anforderungen dieser Wahrheitspflicht wird in Rundfunkstaatsvertrag und WDR-Gesetz durch die wortwörtlich festgehaltene Prüfungspflicht im Vorfeld der Berichterstattung entsprochen.
2. Pflicht zur Vollständigkeit
Eine wahrheitsgemäße Berichterstattung ist dabei nicht nur durch unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern auch durch das Verschweigen wesentlicher Aspekte eines Sachverhalts gefährdet. Somit kann in Übereinstimmung mit der höchstricherlichen Rechtsprechung auch eine unvollständige Berichterstattung als unrichtige Darstellung angesehen werden:
„Läßt sich aus mitgeteilten wahren Tatsachen eine bestimmte (ehrverletzende) Schlußfolgerung ziehen, so ist jedenfalls eine bewußt unvollständige (Presse-) Berichterstattung rechtlich wie eine unwahre Tatsachenbehauptung zu behandeln, wenn die Schlußfolgerung bei Mitteilung der verschwiegenen Tatsache weniger naheliegend erscheint und deshalb durch das Verschweigen dieser Tatsache beim unbefangenen Durchschnittsleser ein falscher Anschein entstehen kann.“ (BGH, Urt. vom 26. 10. 1999 - VI ZR 322/98.)
3. Pflicht zur Richtigstellung
Neben der ausdrücklich normierten Prüfungspflicht ergibt sich durch den Verweis auf die "anerkannten journalistischen Grundsätze" im Rundfunkstaatsvertrag auch eine Pflicht zur Richtigstellung. Die maßgeblichen Grundsätze sind diejenigen, „die sich bei einer wertenden Vergleichung aus den verschiedenen presse- und rundfunkrechtlichen Regelungen der Länder sowie den Richtlinien des Deutschen Presserates ergeben“ (Vgl.: LT-Dr 12/478 (Saarl), S. 51; LT-Dr 14/3235 (RlPf), S. 42).
Von daher zählt zur Wahrheitspflicht nicht nur die in § 8 Abs. 2 S. 3 NDR-Staatsvertrag konkretisierte Sorgfaltspflicht, sondern auch die explizit in Ziffer 3 des Pressekodex und § 3 Abs. 3 S. 4 des baden-württembergischen LMG angeführte Pflicht „Behauptungen […] die sich […] als falsch“ erweisen „richtig zu stellen“. Dies folgt auch nach den der für die Auslegung der „anerkannten journalistischen Grundsätze“ ebenfalls heranzuziehenden „Qualitätskriterien für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“ des „Deutschen Journalistenverbunds“ (Breutz, in: Hamburger-Kommentar, Kommentar, Medienrecht, 1. Aufl. (2008), 39. Abschnitt Rn. 173 ff.):
"Zu besonderer Sorgfalt und Wahrheit sind die Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpflichtet. Sie stellen veröffentlichte Nachrichten oder Behauptungen, insbesondere personenbezogener Art, die sich nachträglich als falsch erweisen, in ihren Sendungen unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtig."
4. Berichtigungspflicht bei Äußerungen Dritter
Für unzutreffende Äußerungen Dritter im Rahmen des Rundfunks trifft die Verantwortlichen der jeweiligen Formate regelmäßig keine Schuld. Es würde die "Detailkenntnisse und Schlagfertigkeit der Moderatoren" überfordern, einen sofortigen Widerspruch zu verlangen (Burkhardt, in: Wenzel, Kommentar, Medienrecht, 5. Aufl. (2003), Kap. 4 Rn. 106.). Dies gilt inbesondere bei "Live"-Sendungen schon aufgrund der faktischen Gegebenheiten und der Natur der Beteiligung weiterer Personen mit eigenen Diskussionsbeiträgen:
"Wo das Fernsehen als Veranlasser oder Verbreiter einer Äusserung zurücktritt und - etwa im Rahmen einer gar "live" ausgestrahlten Fernsehdiskussion - gewissermassen nur als "Markt" der verschiedenen Ansichten und Richtungen in Erscheinung tritt, widerspräche es dem Wesen des Mediums und seiner Funktion, es neben oder gar anstelle des eigentlichen Urhebers der Äusserung in Anspruch nehmen zu können." (BGH, Urt. v. 06.04.1976 - VI ZR 246/74.)
Abweichendes soll nur dann gelten, "wenn sich der Verbreiter mit der Äusserung des Dritten identifiziert hat, so dass sie als seine eigene Äußerung erscheint", was bei "Live"-Formaten regelmäßig nicht angenommen werden kann. Hier soll sich das Format auch ohne eine vorherige Distanzierung die von Dritten getätigten Äußerungen nicht zu eigen machen (Breutz, in: Hamburger-Kommentar, Kommentar, Medienrecht, 1. Aufl. (2008), S. 993.). Aus dem Umstand, dass die Äußerung als solche dem jeweiligen Format nicht zugerechnet wird, folgt aber nicht, dass dieses von jeglicher Verantwortung frei wird. Es bleibt vielmehr auch ohne ihn treffendes Verschulden als Störer für die Verbreitung der Aussage verantwortlich (Vgl. Burkhardt, in: Wenzel, Kommentar, Medienrecht, 5. Aufl. (2003), Kap. 10 Rn. 212; Breutz, in: Hamburger-Kommentar, Kommentar, Medienrecht, 1. Aufl. (2008), 39. Abschnitt Rn. 60 ff.), so dass Formaten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks eine Pflicht zur Korrektur unzutreffender Tatsachenbehauptungen obliegt.
II. Inhalt
Der bezeichnete Beitrag wird den dargestellten Maßstäben nicht gerecht.
1. Darstellung im Rahmen der Sendung
In der angeführten Sendung sind die folgenden Äußerungen enthalten:
Anmoderation (Frank Plasberg):
“Sie sagen, “Wenn es denn nur der Daumen wäre”. Da möchte ich Ihnen etwas zu zeigen. Da werden sie jetzt gleich sagen, das ist platt. Ich zeig’s trotzdem. Die Frage ist doch, verändert sich durch’s Daddeln nur die Virtuosität des Daumens, verändert sich der Hirnbereich, der den Daumen steuert, oder verändert sich durch das Daddeln auch das Wesen eines Menschens? Die Frage stellt sich nach einem prominenten Beispiel.”
(Zeitindex: 00:42:58 - 00:43:25)
Zitierung Prinz Harrys von Wales (Sprecher):
„Ich bin einer von diesen Leuten, die gerne PlayStation und Xbox spielen. Und ich liebe den Gedanken, dass ich mit meinen schnellen Daumen ziemlich nützlich bin. Da können Sie die Jungs fragen.“
(Zeitindex: 00:43:55 - 00:44:07)
Redebeiträge eines Gastes (Josef Kraus):
“Man muss übrigens eines sehen: Viele dieser Shooter-Spiele sind ja für militärische Übungszwecke entwickelt worden [...].
(Zeitindex: 00:44:22 - 00:44:31)"
"Alle Amoktäter, die wir hatten in Deutschland und Amerika, waren exzessive Shooter-Spieler [...].“
(Zeitindex: 00:45:11 - 00:45:17)
Moderation (Frank Plasberg):
“Herr Lauer! [...] Nun gibt es dieses Zitat von Prinz Harry - das haben wir uns ja nicht ausgedacht.”
(Zeitindex: 00:45:25 - 00:45:36)
2. Erweckter Eindruck
Als wesentliche Aussagen sind somit enthalten:
1. Die Behauptung Herrn Plasbergs, wonach sich der Umstand, dass sich "durch das Daddeln auch das Wesen eines Menschens" verändere, anhand eines prominenten Beispiels - der wiedergegebenen Aussage von Prinz Harrys von Wales - belegen lasse.
Hierbei wurde seitens der Moderation ein besonderer Wert darauf gelegt, dass es sich nicht etwa bloß um motorische Änderungen in Folge des Umgangs mit den Spielen, sondern tatsächlich um eine Änderung des Charakters handele. Auf die motorische Komponente wurde bereits im Rahmen des vorherigen Einspielers eingegangen, in dessen Rahmen eine Änderung der Struktur der Gehirne Jugendlicher infolge des bei dem Umgang mit digitalen Medien exzessiver auftretenden Gebrauchs des Daumens thematisiert wurde. Dies wurde von den Gästen weitgehend unaufgeregt hingenommen. Dass es bei dem folgenden Einspieler nicht mehr vornehmlich um motorische Effekte ging, stellte auch Herr Plasberg selbst dar, in dem er die Aussage des Gastes Ranga Yogeshwar - "Wenn es denn nur der Daumen wäre" - aufgriff und wortwörtlich übernahm.
Daneben lässt auch der Kontext an der Art der von Herrn Plasberg angesprochenen Wesensänderung keine Zweifel: Die Präsentation des Interview mit Prinz Harry von Wales, in dem dieser angibt, als Soldat an Kampfeinsätzen teilgenommen zu haben, kann nur dahin verstanden werden, dass die Nutzer entsprechender Videospiele nach der Auffassung der "hart aber fair"-Redaktion psychisch kriegstauglich gemacht bzw. desensibilisiert werden würden.
Unterstellt wird hierbei, dass es sich bei den maßgeblichen Videospielen, auf die sich demnach auch die Aussage des Prinz Harry von Wales bezieht, um gewaltdarstellende bzw. solche mit kriegerischen Inhalten handelt. Dies zeigt sich insbesondere anhand der anwesenden Gäste, die als Reaktion auf den Einspieler "Shooter-Spiele" ansprachen und in eine "Killerspiel-Debatte" abglitten. Hierbei wurde seitens Herrn Plasbergs auch ausdrücklich eine Verbindung zu gewaltdarstellenden Videospielen hergestellt:
Lauer:
"Wenn er [Prinz Harry von Wales] jetzt sagt, ich habe hier beim xbox-Spielen, beim PlayStation-Spielen Dinge gelernt, die mir mein Kriegführen irgendwie helfen, dann ist das wohl eher ein gesamtgesellschaftliches Problem, als das diese Geräte jetzt auf einmal aus Prinz [...] Harry einen schlechten Menschen machen."
Plasberg:
"Warum ist es eigentlich dann immer eine gesamtgesellschaftliche Diskussion aber im Einzelfall ist es nicht gefährlich, wenn man Ballerspiele spielt?"
(Zeitindex: 00:47:28 - 00:47:55)
2. Die Behauptung Herrn Plasbergs, dass sich Prinz Harrys von Wales in dem gezeigten Ausschnitt dementsprechend geäußert habe. Also dass seine Ausführungen über die Nutzung von Videospielen, die ihm nach seiner Einschätzung bei seinem Einsatz helfen würde, sich auf solche mit einem militärischen bzw. kriegerischen Hintergrund beziehen würden, wie es auch von den in der Sendung anwesenden Gästen angenommen worden ist.
3. Die Behauptung, dass Prinz Harry von Wales seine Kameraden als Beleg für die Nützlichkeit seiner "schnellen Daumen" im Kampfeinsatz angeführt habe: "Da können Sie die Jungs fragen.“.
4. Die Behauptung von Josef Kraus, dass "viele" der kommerziell vertriebenen und im Handel erhältlichen „Shooter"-Spiele ursprünglich für "militärische Übungszwecke entwickelt worden" seien.
5. Die Behauptung von Josef Kraus, dass in Hinblick auf Deutschland und die USA "alle Amoktäter [...] exzessive Shooter-Spieler" gewesen wären.
6. Die Behauptung Frank Plasbergs, dass sich die Redaktion die zitierte Äußerung von Pirnz Harry von Wales "nicht ausgedacht" habe. Es wird mithin behauptet, dass die maßgebliche Aussage im Rahmen der Zitierung durch die Redaktion ihrem wesentlichen Inhalt nach korrekt mit dem bei 1. dargestellten Inhalt widergegeben wurde und durch die Präsentation bzw. Aufbereitung seitens "hart aber fair" keine abweichende Sinngebung erfahren hat.
3. Tatsächlicher Sachverhalt
Demgegenüber stellen sich die tatsächlichen Zusammenhänge wie folgt dar:
a) Zitat des Prinz Harry von Wales
Wie es sich durch einen Rückgriff auf das ungekürzte Interview belegen lässt, wurde die maßgebliche Aussage durch "hart aber fair" unvollständig wiedergegeben. Im Original heißt der letzte unvollständig zitierte (Halb-) Satz:
„You can ask the guys: I thrash them at Fifa the whole time.”
Press Association, Prince Harry finishes four-month tour of Afghanistan - video, guardian v. 21.01.2013 (Zeitindex: 00:58 - 01:03).
Sinngemäße Übersetzung:
"Sie können die Jungs fragen: Ich mache sie die ganze Zeit bei Fifa fertig."
Von "hart aber fair" wurde lediglich der erste Satzteil wiedergegeben und mit der vorangegangenen Äußerung verknüpft, obwohl sich die Äußerung auf die folgene Aussage bezieht. Dass die Äußerung in dieser Weise zu verstehen ist, zeigt ein Blick auf die ausländische bzw. englischsprachige Presse, in der der Verweis auf das Zeugnis seiner Kameraden ausnahmslos auf die Spielkünste bei "Fifa" bezogen wurde. Stellvertretend für den Rest wird hier verwiesen auf:
- Hadley Freeman, Prince Harry, the new Killer Captain, guardian v. 21.01.2013:
"You can ask the guys, I thrash them at Fifa the whole time."
- Jesse Yomtov, Prince Harry enjoyed some FIFA during his Afghanistan tour, usatoday v. 23.01.2013:
"You can ask the guys: I thrash them at FIFA the whole time."
- Harriet Arkell, I'm not academic but I thrash the guys at Fifa: Harry's Camp Bastion downtime, dailymail v. 21.01.013:
"You can ask the guys: I thrash them at Fifa the whole time."
Hieraus folgt, dass sich dem Zitat allein der folgende Inhalt entnehmen lässt:
1. Die Äußerung von Prinz Harry von Wales beziehen sich im ungekürzten Originalvideo mit "Fifa" auf ein ohne jede Altersbeschränkung freigegebenes Fußballspiel.
2. Die Äußerung von Prinz Harry von Wales kann lediglich als Beispiel dafür angeführt werden, dass dieser glaubt, durch seine beim Umgang mit der Fußballsimulation "Fifa" erworbene Fingerfertigkeit auch im Kampfeinsatz von Wert zu sein.
3. Die Äußerung von Prinz Harry von Wales ist dergestalt aufgebaut, dass er das Zeugnis seiner Kameraden als Beleg für sein Können bei dem Videospiel "Fifa" anführt.
b) Hintergrund von "Shootern"
Es gibt zwar mit “Battlezone”, “Doom” und “Operation Flashpoint” einige für kommerzielle Zwecke entwickelte Spiele, die später in modifizierter Form vom Militär genutzt wurden oder genutzt werden sollten – so eben “Bradley Trainer”, “Marine Doom” und “VBS(1)” – doch andersherum wird es schwierig: Ursprüngliche militärische Entwicklungen, die dann ihren Weg auf die Märkte gefunden haben, sind kaum bekannt.
“America’s Army” wurde zwar vom Militär entwickelt, doch nicht für militärische Übungszwecke (wofür die Engine mittlerweile aber doch verwendet wird), sondern als “Werbespiel” um Rekruten zu locken. Daneben existiert mit “Full Spectrum Warrior” nur eine militärische Entwicklung, die auch kommerziell vertrieben wurde. Das Militär wollte ein eigenes Trainingsspiel entwickeln, aber mit der Xbox auf existierende Hardware eines kommerziellen Anbieters (Microsoft) zurückgreifen. Nach dem entsprechenden Wikipedia-Eintrag war es aus lizenztechnischen Gründen erforderlich das Spiel auch für den zivilen Markt zu veröffentlichen. Bei “Full Spectrum Warrior” handelt es sich aber nicht um einen Shooter, so dass es insoweit kein einziger kommerziellen Shooter bekannt ist, der ursprünglich für militärische Übungszwecke entwickelt worden ist.
c) Exzessive Nutzung von "Shootern" durch Täter von Amokläufen
Die Aussage, dass ausnahmslos alle Amokläufer Nutzer von gewaltdarstellenden Videospielen waren, wird durch eine amerikanische Studie widerlegt. Bei dieser wurden im Auftrag des United States Secret Services und des United States Department of Education 37 School Shootings von männlichen Jugendlichen an amerikanischen Schulen zwischen 1974 und 2001 untersucht. Videospiele betreffend wird hier ausgeführt:
„One-eighth of the attackers exhibited an interest in violent video games (12 percent, n=5).“
Vossekuil/Fein/Reddy/Borum/Modzeleski, THE FINAL REPORT AND FINDINGS OF THE SAFE SCHOOL INITIATIVE: IMPLICATIONS FOR THE PREVENTION OF SCHOOL ATTACKS IN THE UNITED STATES, Washington 2002, S. 22.
Eine Studie der Universität Darmstadt stellte in Bezug auf 7 Amokläufe, die in Deutschland zwischen 1999 und 2006 stattfanden, fest, dass gerade einmal mehr als die Hälfte der Täter – und nicht alle – sich intensiv mit gewaltdarstellenden Videospielen beschäftigten:
„Bei vier der Täter konnte ein übermäßig starkes Interesse an Videospielen festgestellt werden, beispielsweise indem große Teile der Freizeit mit solchen Spielen verbracht wurden.“
hoch³, Mai 2009, S. 13.
Diese Erkenntnis beschränkt sich auch nicht auf ältere Fälle: So hielt sich der Videospielkonsum des Amokläufers von Blacksburg (2007) ebenfalls in Grenzen. Im offiziellen Bericht zu der Tat wird festgestellt, dass er nur in seiner Kindheit Videospiele genutzt hat, jedoch keine gewalthaltigen. Später hat er schließlich überhaupt nicht mehr gespielt:
“He was enrolled in a Tae Kwon Do program for awhile, watched TV, and played video games like Sonic the Hedgehog. None of the video games were war games or had violent themes.”
“Cho’s roommate never saw him play video games.”
“The only activities Cho engaged in were studying, sleeping, and downloading music. He never saw him play a video game, which he thought strange since he and most other students play them.”
Mass Shootings at Virginia Tech: Report of the Review Panel, 2007.
Für Deutschland kann hier beispielsweise auf den Amoklauf von Ansbach (2009) verwiesen werden, über den SPON folgendes zu berichten weiß:
“Die Ermittler betonten ausdrücklich, im Besitz des Amokläufers hätten sich nach bisherigem Erkenntnisstand keine sogenannten Killerspiele oder indizierten Horrorfilme befunden.”
Diehl, Amokläufer führte Hass-Tagebuch, SPON v. 21.09.2009.
Oder auch auf die Tat von Sankt Augustin – ebenfalls 2009:
“Hinweise auf einen Konsum von gewaltverherrlichenden Computerspielen, wie es bei anderen Amoktätern der Fall war, habe der erste Verhandlungstag vor dem Bonner Landgericht nicht ergeben, sagte ein Gerichtssprecher.”
Graalmann, “Ihr werdet alle sterben“, sz.de v. 27.09.2009.
Im Übrigen spielen auch Nicht-Amokläufer gewaltdarstellende Videospiele – und das nicht zu knapp: So wird nach einer Studie schon das “ab 18″ freigegebene “Modern Warfare 2″ von 14/15-Jährigen Schülern intensiv genutzt:
“61% der befragten Jungen aus dem 9. Schuljahr aller Schularten spielten es.”
Weiß, Call of Duty – Modern Warfare 2 und seine Nutzung durch Schüler des 9. Schuljahres.
Auch der Grad der Nutzung (“meistens exzessiv”) dürfte hinterfragt werden können:
“Die Täter von Schulschießereien interessieren sich durchaus deutlich für Gewaltinhalte in Medien und vor allem in eigenen literarischen Werken, aber auf Gewaltcomputerspiele selber entfällt bei diesen das geringste Interesse.”
Bösche/Geserich, Nutzen und Risiken von Gewaltcomputerspielen, Polizei & Wissenschaft 1/2007, S. 45, 58.
4. Verstöße
Hieraus ergeben sich die folgenden Verstöße gegen die bereits einleitend genannten Vorschriften:
1. Eignung des Zitats eine Wesensänderung durch Videospiele zu belegen
Darin, dass "hart aber fair" durch die insinuierender Anmoderation bei Gästen und Zuschauern den Eindruck erweckte, dass die Aussage von Prinz Harry als Beleg dafür geeignet sei, dass die Nutzung von Videospielen auch das "Wesen eines Menschens" verändern könne, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da die Eignung zum Beweis der angeblich wegen der Nutzung des Videospiels eingetretenen Wesensänderung vor dem Hintergrund, dass die Äußerung mit "Fifa" tatsächlich einem Fußballspiel galt, nicht ernsthaft angenommen werden kann.
In deren (unberichtigten) Verbreitung liegt ein Verstoß gegen Wahrheits- und Berichtigungspflicht gem. §§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 RStV und §§ 5 Abs. 1, 6 S. 2 WDR-Gesetz.
2. Unvollständige Wiedergabe des Zitats
Darin, dass "hart aber fair" durch Auslassung der Nennung von "Fifa" bei Gästen und Zuschauern den Eindruck erweckte, dass die Aussage von Prinz Harry von Wales gewaltdarstellenden Videospielen gegolten habe, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da dieser in dem gezeigten Ausschnitt tatsächlich über das Fußballspiel "Fifa" sprach.
In deren (unberichtigten) Verbreitung liegt ein Verstoß gegen Wahrheits- und Berichtigungspflicht gem. §§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 RStV und §§ 5 Abs. 1, 6 S. 2 WDR-Gesetz.
3. Neukomposition des letzten Satzfragments
Darin, dass "hart aber fair" durch die im Rahmen der Übersetzung erfolgten Kürzung und Neukomposition des Zitats bei Gästen und Zuschauern den Eindruck erweckte, dass Prinz Harry von Wales seine Kameraden als Beleg für seine Tauglichkeit im Kampfeinsatz anführt, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da deren Zeugnis tatsächlich im Zusammenhang mit seinem Können in dem Spiel "Fifa" genannt wurde.
In deren (unberichtigten) Verbreitung liegt ein Verstoß gegen Wahrheits- und Berichtigungspflicht gem. §§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 RStV und §§ 5 Abs. 1, 6 S. 2 WDR-Gesetz.
4. Aussage über den Hintergrund von "Shootern"
Darin, dass Josef Kraus behauptete, dass "viele" der kommerziell erhältlichen Ego-Shooter ursprünglich "für militärische Übungszwecke entwickelt worden" seien, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da tatsächlich von keinem einzigen im Handel erhältlichen Shooter bekannt ist, dass dieser originär für militärische Übungszwecke entwickelt worden ist.
In deren unberichtigten Verbreitung liegt ein Verstoß gegen die Berichtigungspflicht gem. § 10 Abs. 1 S. 1 RStV.
5. Aussage über Videospielnutzung durch Täter von Amokläufern
Darin, dass Josef Kraus behauptete, dass "alle" der Täter von Amokläufen in den USA und Deutschland exzessive Nutzer von Shootern gewesen wären, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da in einer Vielzahl von Fällen Täter derartige Spiele nicht oder nur moderat nutzten.
In deren unberichtigten Verbreitung liegt ein Verstoß gegen die Berichtigungspflicht gem. §§ 10 Abs. 1 S. 1 RStV.
6. Aussage über Authentizität der Zitierung
Darin, dass "hart aber fair" durch die Aussage, man habe sich das dargestellte Zitat "nicht ausgedacht", bei Gästen und Zuschauern den Eindruck erweckte, dass die Aussage von Prinz Harry von Wales authentisch widergegeben worden wäre, ist eine unwahre Tatsachenbehauptung zu erkennen, da das tatsächliche Zitat durch eine Auslassung, der Neukomposition des letzten Satzfragments sowie durch die Einbettung in einen anderen Kontext als unvollständige sowie sinnentstellende Darstellung zu betrachten ist.
In deren (unberichtigten) Verbreitung liegt ein Verstoß gegen Wahrheits- und Berichtigungspflicht gem. §§ 10 Abs. 1 S. 1, 2 RStV und §§ 5 Abs. 1, 6 S. 2 WDR-Gesetz.
Mit freundlichen Grüßen