Sooo, wenn kein Wunder geschieht, gibt das mit dem Artikel nichts.
Corona sei dank schreibe ich euch jetzt sehr, sehr, sehr viel. Es muss einfach mal raus!
Ich könnte soooo kotzen:
Die Frage, der ich dabei nachgehen wollte, war natürlich, ob gewaltdarstellende Computerspiele aggressiv machen oder gar zu gewalttätigem
Verhalten führen. In meinem Exposee habe ich dazu ausgeführt:
Dabei werden im Beitrag selbst (basierend auf einer aktualisierten Fassung meiner Dissertation) zunächst (1) die gängigen Mediengewaltwirkungstheorien und -modelle (Desensibilisierungshypothese, Lerntheorie, General Aggression Model etc.) hinsichtlich ihres Aussagegehalts und ihrer evidenten konzeptionellen Probleme sowie (2) die zentralen Fragestellungen der Disziplin hinsichtlich ihrer Plausibilität dargestellt. Darauf folgt eine Befassung mit den tatsächlichen Inhalten der quantitativen Computerspielgewaltwirkungsforschung, d. h. (3) eine Darstellung des generell üblichen Studiendesigns innerhalb der Disziplin auch anhand praktischer Beispiele, namentlich eine Darstellung der gängigen Methoden zur Operationalisierung von Computerspielgewaltexposition und -stimulus (unabhängige Variable) und (4) der Mediengewaltwirkungen (abhängige Variable). Überblicksartig werden sodann (5) die Befunde der einschlägigen Metaanalysen dargestellt, um (6) der Frage nach der praktischen Relevanz der Mediengewaltwirkungen nachzugehen, so dass (7) die Frage beantwortet werden kann, ob Gewalt darstellenden Computerspielen tatsächlich eine aggressions- resp. gewaltfördernde Wirkung attestiert werden kann. Diese Frage kann im Rahmen des Beitrages
begründet verneint werden.
Mit Ausstellung des Vertrages wurde diesem Vorhaben zugestimmt, ja im Vertrag selbst steht noch eindeutig, dass mein Artikel auf Grundlage des eingereichten Exposees zu erfolgen hat.
Nachdem ich meinen Auftragsartikel schon im Oktober eingereicht habe (womit ich der erste war...), bekam ich erst letzte Woche eine Rückmeldung. Ich solle den Artikel massiv überarbeiten, denn er sei zu lang (im Vertrag stehen bis zu 18000 Zeichen, mit dem für mich zuständigen Sachbearbeiter hatte ich daraufhin aber eine nach oben nicht definierte Grenze ausgemacht...), habe zu viele "Fremdwörter" und ungeklärte Abkürzungen etc., außerdem richte er sich deshalb nicht an die interessierte Öffentlichkeit.
Ich hatte den Artikel also in einem 13-14 Stündigen non-stop Schreibmarathon geändert, von ca. 60.000 auf 30.000 Zeichen (neue Höchstgrenze) gekürzt, Sätze vereinfacht, zurechtgestutzt und von "Fremdwörtern" etc. bereinigt, Abkürzungen herausgenommen usw.
Der Fokus blieb natürlich der gleiche: Eine Darstellung des Forschungsstands mit all seinen Problemen, auf das Basale hinuntergekürzt. Also eine Darstellung der problematischen Messung des Mediengewaltkonsums, der ebenso problematischen Vergleiche von gewaltdarstellenden mit nicht gewaltdarstellenden Spielen in Experimentalstudien, die fragwürdigen Messungen von Erregungen, negativer Emotionen, Desensibilisierungen, aggressiver Gedanken und aggressiven Verhaltens in den einschlägigen Studien und ein abschließendes Reümee mit Blick auf Metaanalysen und die praktische Relevanz der Forschungsergebnisse. Alles so, wie es im Exposee angekündigt wurde und so, dass es für Laien nachvollziehbar sein soll.
Dann kam die nächste Änderungs... "bitte": Ich solle doch den Teil zur Forschungsmethodik rausnehmen (also 13 von 16 Seiten...) und den Teil zu den Wirkungstheorien, den ich herausgenommen hatte, wieder einfügen, denn die wären ja zentral gewesen und wären der Beantwortung der Frage dienlich.
Spoiler: Sind sie nicht... Wenn ich nun aber den ganzen Methodikteil entferne und nur die paar Wirkungsthesen darstelle, dann nähern wir uns einer Antwort auf diese in meinem Exposee, der Überschrift und der Einleitung in meinen Artikel gestellten Frage nicht wirklich (es wäre ein Artikel zur Vorstellung einiger Mediengewaltwirkungstheorien mit – m.E. – fraglichem Mehrwert). Die Wirkungstheorien sind für die eigentliche Frage nach der Wirkung von Mediengewalt eben nicht von zentralem Interesse, ja sie liefern keine Antworten auf diese (außer wenn ich dazu überginge, die Stärken und Schwächen der Theorien herauszuarbeiten, was ich mir für das Publikum aber als ungleich uninteressanter vorstelle). Jede Theorie ist vollkommen belanglos, wenn sie empirisch nicht untermauert ist – und das sind diese Theorien nicht. Ich könnte deshalb ohne Methodikteil wieder gar nicht darlegen, welche Theorie sich wissenschaftlich mehrheitlich durchgesetzt hat. Selten finden sich in den Studien konkrete Bezugnahmen auf konkrete Theorien, eben auch, weil sich dessen Elemente forschungsmethodologisch nicht belegen lassen. Eben weil dieser Teil rein illustrativ und nicht zentral war, war dies das erste, was ich bei der Überarbeitung entfernte. Es geht uns doch um die Wirkung – handfeste Wirkung – von Gewalt in Spielen, nicht darum, was irgendwer, irgendwann dazu theoretisiert hat? Das wäre dann doch ein viel akademischerer Diskurs, oder?
Das habe ich dem Auftraggeber auch mal kommuniziert.
Das Problem ist ja das Folgende: Wenn einmal einschlägige Studien in den Fokus der Medien geraten, dann scheint es so, als ob Journalisten maximal die Abstracts der Studien lesen, diese für bare Münze nehmen und als gesicherte Fakten dem Publikum präsentieren; z.B. gewaltarstellende Spiele machen aggressiv / machen nicht aggressiv. Da entsteht z.T. ein regelrechtes Tennisspiel zwischen beiden Positionen mit Einzelstudien u.ä., so dass niemand hinterher schlauer ist. Oder es wird behauptet, die Forschung zeige dies und jenes – was oft bestenfalls bis zur Verzerrung unpräzise oder nachweisbar falsch ist, wenn man sich in der Materie auskennt. Ein Problem, dem wir übrigens auch bei Wissenschaftlern in der Disziplin regelmäßig begegnen. Mein Ansinnen war und ist es nun, auch Laien nachvollziehbar darzustellen, was die Forschung zu dieser Frage eigentlich konkret sagen kann. Ich ging nach Akzeptanz meines Exposees und Erhalt des Vertrages davon aus, dass auch genau dies mein Arbeitsauftrag ist. Und ja, das möchte ich auch tatsächlich ohne jede Fachsimpelei aus dem Elfenbeiturm heraus machen, so allgemeinverständlich wie möglich.
Aber das geht halt nur auf diese Art und Weise, wenn ich nicht das machen will, was ich anderen vorwerfe: Behauptungen in den Äther blähen...
Ganz abgesehen davon finde ich übrigens den Ton, der mir da in den E-Mails entgegenschlägt, recht despektierlich...
Ja... wenn ich bedenke, was ich da so an Arbeit in den Artikel gesteckt habe und was das theoretisch für den Stundenlohn bedeutet, bin ich da ohnehin weeeit unter dem Mindestlohn mittlerweile, wenn ich überhaupt noch was anderes als 'ne 0 vor dem Komma stehen habe. Wenn ich den Stundenlohn ansetzen würde, den ich tatsächlich in meinem "real life"-Beruf bekomme, dann müssten die mir jetzt eh was jenseits der 4000 € zahlen.
Aber ich habe den Vertrag ja nicht des Geldes wegen unterschrieben, sondern weil ich wirklich Informations-/Aufklärungsarbeit leisten möchte, weil auch die BPB selbst in der Vergangenheit Artikel zum Thema rausgehauen hat, die grauenerregend waren (ein ganz, ganz shclimmes Teil z.B. von Ingrid Möller, die wohl mit am wenigsten von allen möglichen Autoren qualifiziert ist). Wobei der Artikel ja anscheinend für spielbar.de ist, nicht die BPB-Hauptseite selbst. Wird aus dem Vertrag so nicht ersichtlich.
Auf meine letzte überarbeitete Fassung, unter die ich noch ruhigen Gewissens meinen Otto setzen kann, kam erst heute eine Reaktion (mehr dazu unten). Meine bessere Hälfte meinte schon zu mir, dass sie sich gut vorstellen könnte, dass dennen da irgendetwas politisch/ideologisch nicht an meinem Artikel passt - immerhin zerlege ich einfach mal so die Grundlage des Jugendmedienschutzes hierzulande - und die deshalb jetzt etwas suchen, dass sie den Artikel nicht nehmen müssen. Tatsächlich sind die Änderungsforderungen absurd und zeugen davon, dass das ganze da recht planlos verläuft.
Ein paar Beispiele:
Nummer1:
In der vorletzten Mail wurde dann geschrieben: "In der Zusammenfassung könnten Sie dann die Implikationen für den pädagogischen Umgang mit Mediengewalt skizzieren." Nun bin ich aber kein Medienpädagoge, war das weder im Call for Papers, den Vorabsprachen oder dem Vertrag verlangt, noch habe ich mit irgendeinem Wort in meinem Exposee angedeutet, auch nur ansatzweise etwas in die Richtung machen zu wollen. Darauf habe ich den Herrn dann hingewiesen. Daraufhin die Antwort: "Ich verstehe, dass Sie sich nicht als Medienpädagoge begreifen. Ich halte es bei genauerer Betrachtung auch gar nicht für nötig, dass Sie Eltern handfeste Ratschläge mit auf den Weg geben. Das würde auch nicht der Ausrichtung des Dossiers entsprechen."
Nummer 2:
Ihm gefiel eine - aus den vorangegangenen Erläuterungen eigtl. logisch hervorgehende - Schlussfolgerung in meinem Artikel nicht: "So wird Gewalt oft nicht als komplexes Phänomen diverser Typen, Formen, Dimensionen, Sinnstrukturen, Dynamiken und Kontexte realisiert, sondern dank fehlender begrifflicher Unterscheidung kaum plausibel nahegelegt, Gewalt unterschiedlichster Art in Spielen wie SUPER MARIO BROS. bis MORTAL KOMBAT wirke prinzipiell identisch, unterscheide sich höchstens in der Wirkungsintensität.“ So meine Aussage. Seine Anmerkung: "Da es nicht plausibel wirkt, Mortal Kombat und Super Mario Bros. bezüglich der Gewaltinhalte gleichzusetzen, wäre hier eine Quelle dringend nötig, also die entsprechende Studie." Ja... darum geht es doch, dass es nicht plausibel ist. WTF? Ich habe die Aussage daraufhin in einem Quellenbeleg mit Studien zugeschüttet, in denen von Zaxxon bis Lamers schon alles als 'Gewaltspiel' definiert wurde... was aber nicht nötig war, weil der Satz 'ne logische Schlussfolgerung des vorangehenden Textes war.
Nummer 3:
Ich hatte nach der ersten Überarbeitungsaufforderung folgende Frage gestellt: "Ich gehe zudem schon davon aus, dass ich mich an die interessierte Öffentlichkeit wende, nicht nur mit der generellen Fragestellung, sondern auch mit der Art und Weise, wie ich diese zu beantworten suche - nämlich transparent, allgemein nachvollziehbar und ohne unbegründete Behauptungen über den Stand der Forschung informierend. Das geht aber nicht ohne einen Blick auf die Methodologie in der Disziplin, die ja gerade unter methodischen Defiziten leidet. Könnten Sie dort eventuelles Verbesserungspotenzial kurz skizzieren?"
Daraufhin antwortete er: "Zur Frage der Kritik an der Methodologie der Fachdisziplin: Auch hier liegen Sie richtig, wenn Sie hier Kürzungspotenzial vermuten. Abschnitte wie: [Zusammenfassung und insb. Probleme der neurobiologischen Versuche, Desensibiliserung ggü. Gewalt zu Messen, als Detailinformation zum Unterkapitel zur Erforschung von Desensibiliserungswirkungen] … können Sie durchaus streichen. Das richtet sich ja eindeutig an die Fachdisziplin selbst." Der von ihm zitierte Teil war tatsächlich sehr in Detail gehend, sehr spezifisch. Er wurde entsprechend von mir entfernt und auch im restlichen Artikel bin ich so allgemein geblieben, wie irgend möglich. Ich habe ja oben erwähnt, wie massiv ich das Teil zusammengestutzt habe.
Nun, ich weiß ja nicht, wie ihr sein Zitat interpretiert, aber ich habe auch beruflich mit Semantik, Kohärenz und Kohesion etc. zu tun und deutete seine Aussage so, dass ich genau das machen soll. Als er dann meine überarbeitete Fassung erhielt war seine Reaktion: "Der Textschwerpunkt liegt fast noch deutlicher als zuvor auf der Forschungsmethodologie. Ich hatte Ihnen eigentlich klar mitgeteilt, dass dies nicht in unserem Sinne ist. Im Call for Papers und in der Beauftragung haben wir Sie ja ebenfalls darauf hingewiesen. Sie könnten beide verbliebenen Punkte aus der Welt schaffen, wenn Sie den gesamten Forschungsteil (von „Die Messung des Gewaltkonsums“ bis einschließlich „Weitere Probleme der Forschung“) vollständig streichen. Stattdessen könnten Sie den zuvor eigentlich sehr zentralen Part zu den Mediengewaltwirkungstheorien wieder reinnehmen, denn genau dieser Part ist für die eigentliche Frage nach der Wirkung von Mediengewalt von zentralem Interesse."
:suicide:
Spoiler: Nein, das steht nicht im Call for Papers (s.
https://www.spielbar.de/node/149986) und auch nicht im entsprechenden Vertrag. Da steht etwas von "Textbeiträge in wissenschaftlicher Qualität [...] an die interessierte Öffentlichkeit" und entsprechende sprachliche Einschränkungen, aber NICHTS von thematischen Einschränkungen. Aber genau die, will der gute Mann ja wohl hier aufziehen...
Nummer 4:
Daraufhin habe ich ihm u.a. geantwortet:
[quote}Was den Fokus auf die Methodologie betrifft: Da scheinen wir tatsächlich aneinander vorbeigeschrieben zu haben. Ich schrieb Ihnen ja, dass meine Fragestellung "Machen gewaltdarstellende Computerspiele aggressiv oder führen sie gar zu gewalttätigem Verhalten?" ohne Blick auf die Methodologie definitiv nicht zu beantworten ist. Das Problem ist ja das Folgende: Wenn einmal einschlägige Studien in den Fokus der Medien geraten, dann scheint es so, als ob Journalisten maximal die Abstracts der Studien lesen, diese für bare Münze nehmen und als gesicherte Fakten dem Publikum präsentieren; z.B. gewaltarstellende Spiele machen aggressiv / machen nicht aggressiv. Da entsteht z.T. ein regelrechtes Tennisspiel zwischen beiden Positionen mit Einzelstudien u.ä., so dass niemand hinterher schlauer ist. Oder es wird behauptet, die Forschung zeige dies und jenes – was oft bestenfalls bis zur Verzerrung unpräzise oder nachweisbar falsch ist, wenn man sich in der Materie auskennt. Ein Problem, dem wir übrigens auch bei Wissenschaftlern in der Disziplin regelmäßig begegnen. Mein Ansinnen war und ist es nun, auch Laien nachvollziehbar darzustellen, was die Forschung zu dieser Frage eigentlich konkret sagen kann. Ich ging nach Akzeptanz meines Exposees und Erhalt des Vertrages davon aus, dass auch genau dies mein Arbeitsauftrag ist. Und ja, das möchte ich auch tatsächlich ohne jede Fachsimpelei aus dem Elfenbeiturm heraus machen, so allgemeinverständlich wie möglich.
[...]
Wenn ich nun aber den ganzen Methodikteil entferne und nur die paar Wirkungsthesen darstelle, dann nähern wir uns einer Antwort auf diese in meinem Exposee, der Überschrift und der Einleitung in meinen Artikel gestellten Frage nicht wirklich (es wäre ein Artikel zur Vorstellung einiger Mediengewaltwirkungstheorien mit – m.E. – fraglichem Mehrwert). Ich muss Ihnen da doch widersprechen, dass dieser Part für die eigentliche Frage nach der Wirkung von Mediengewalt von zentralem Interesse ist, ja er liefert keine Antworten auf diese (außer wenn ich dazu überginge, die Stärken und Schwächen der Theorien herauszuarbeiten, was ich mir für das Publikum aber als ungleich uninteressanter vorstelle). Jede Theorie ist vollkommen belanglos, wenn sie empirisch nicht untermauert ist – und das sind diese Theorien (mit ansatzweiser Ausnahme des Katalysatormodells) nicht (s. Methodikteil). Ich könnte deshalb ohne Methodikteil wieder gar nicht darlegen, welche Theorie sich wissenschaftlich mehrheitlich durchgesetzt hat.
[...]
Eben weil dieser Teil rein illustrativ und nicht zentral war, war dies das erste, wass ich bei der Überarbeitung entfernte. Es geht uns doch um die Wirkung – handfeste Wirkung – von Gewalt in Spielen, nicht darum, was irgendwer, irgendwann dazu theoretisiert hat? Das wäre dann doch ein viel akademischerer Diskurs, oder?[/quote]
Daraufhin er:
In der Rückmeldung zum Exposé hatten wir Sie übrigens noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass dies „keine Forschungsarbeit, sondern ein Informationstext für interessierte Bürger/innen“ werden muss. Zu den Medienwirkungstheorien: Aus Ihrer Sicht wirken diese illustrativ, jedoch müssen Sie sich Leser vorstellen, die nicht wie Sie mitten in der Forschung stecken. Die Leser haben – im Idealfall – unsere Grundlagentexte gelesen, die sich u.a. mit der Geschichte, dem Markt, der Technologie, den Genres und dem Spielalltag auseinandersetzen. Ohne die Medienwirkungstheorien zu kennen, die ja in den von Ihnen kritisierten Studien mehr oder weniger überprüft werden sollten, ist für diese Leser der Part zur Methodologie ebendieser Studien nicht anschlussfähig. Wenn Sie stattdessen der Auffassung sind, dass diese Theorien allesamt nicht haltbar sind, dann können Sie das ja darlegen.
Mit meiner ultimativen Textfassung habe ich ihm dann viel, sehr viel geschrieben - wie gesagt, bis heute ohne Antwort: Dass ich auch den Methodikteil stark überarbeitet hätte, sprachlich und inhaltlich, "ihn so weit gekürzt, zusammengefasst etc. [...], wie es geht, ohne die zentralen Aussagen zu löschen, die zur Beantwortung der Artikelfrage m.E. zwingend notwendig sind. Da ist keine Detailkritik mehr. [...] Dass das Thema auch die Öffentlichkeit interessiert - auch in dieser Form -, belegt ja schon der Umstand, dass google.de bei einschlägigen Suchbegriffen unzählige für die Laienwelt (in Tageszeitungen, Blogs, online-Ratgebern etc.) aufbereitete Ergebnisse zu dem Thema präsentiert (bei 'spiele gewalt wirkung' sind es eben Mal 7.550.000 Treffer…), die sich auch sehr, sehr, sehr oft in ähnlicher Form und in ähnlichem Aufbau an die Leser wenden. Übrigens auch regelmäßig ohne jede Thematisierung der Wirkungstheorien. Ich habe da tatsächlich Leser im Kopf, die komplett ohne Vorahnung zu der Materie an die Thematik gelangen und ich kann beim wirklich aller-, allerbesten Willen nicht nachvollziehen, wieso Sie davon ausgehen, der Methodikteil sei ohne Wirkungstheorienteil "nicht anschlussfähig". Zumal die zentrale Hypothese des Forschungscorpus doch ganz am Anfang des Artikels steht: Spielegewalt führt zu aggressivem Verhalten. Und auch die anderen Hyopthesen bzw. Forschungsfragen sind klar (Führt Spielegewalt zu Erregung, aggressiven Gedanken, Emotionen u./o. Abstumpfungen?). Das liefert doch den Anschluss. Wieso sollte es für einen interessierten Leser da notwendig(!) sein, zu wissen, wie Wissenschaftler z.B. mögliche sozial-kognitive Lernprozesse oder die Reziprozität von Erregung, kognitiven Verzerrungen und Desensibilisierung bei der Entstehung von Verhalten theoretisieren usw.? Ganz zu schweigen davon, dass eine Dekonstruktion dieser Theorien ein deutlich akademischeres und schwerer nachvollziehbares Unterfangen ist, als die Darstellung der konkreten Probleme der empirischen Forschung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Sie sich das vorstellen."
Dazu noch: "Übrigens, um meine Argumentation noch zu untermauern: Wie erwähnt widmen sich eine ganze Reihe an die interessierte Öffentlichkeit gerichtete Beiträge diesem Thema, in dieser oder ähnlicher Art (und ohne Wirkungstheorie). Anstelle vieler fand z.B. letztes Jahr das einschlägige YouTube-Video von Mai Thi Nguyen-Kim (die neue Quarks-Moderatorin) recht viel Beachtung (
https://www.youtube.com/watch?v=_m7txM8wnt0), wohlgemerkt nicht auf ihrem Privatkanal, sondern einem öffentlich-rechtlichen Angebot von "funk". Die gute Frau scheint da die gleiche Perspektive zu vertreten, wie ich, wenn es um die Wichtigkeit der Darlegung der Forschungsmethodik geht. Ich versorge Sie gerne mit weiteren Beispielen, falls das einem Change of Heart hilft. Die BPB selbst hat dazu in der Vergangenheit ja auch Beiträge rausgebracht.

"
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Heute kam dann endlich eine Antwort:
[...] Zwischenzeitlich haben wir Ihre Neufassung gelesen. Leider muss ich feststellen, dass wir uns ein wenig im Kreis drehen. Es tut mir leid, dass wir offenbar aneinander vorbeireden.
Unser Wunsch war es, dass Ihr Artikel einen anderen Schwerpunkt erhält: weg von der methodologischen Detailkritik, hin zur tatsächlichen Beantwortung der von Ihnen formulierten Leitfrage zum Beispiel entlang der einschlägigen Theorien.
Stattdessen haben Sie die allgemeine Vorstellung der Theorien sogar herausgekürzt und am methodologischen Teil weitestgehend festgehalten, sodass sich die Gewichtung sogar in die falsche Richtung verschoben hat.
Es ist nun an der Zeit, Ihren heißgeliebten Methodologie-Teil radikal zu kürzen, auch wenn es Ihnen weh tut („Kill your darlings“). Ich sehe ansonsten keine Möglichkeit, wie wir hier sonst zusammenfinden. Bitte beachten Sie dazu auch noch einmal meine untenstehenden Anmerkungen (in der Mail vom 1.4.). Hier noch einige weitere Hinweise, die Ihnen vielleicht helfen:
• Reduzieren Sie die Textlänge wenn möglich auf gut die Hälfte
• Schreiben Sie nicht für die Forschung, sondern für Menschen, die über Allgemeinwissen zum Thema verfügen (interessierte Öffentlichkeit). Führen Sie diese Leser durch den Text, indem Sie Interesse wecken und Anschlüsse herstellen (roter Faden).
• Drücken Sie sich so einfach und allgemeinverständlich wie möglich aus.
• Verzichten Sie auf kreative Wortschöpfungen wie „seltenst“ oder „schlechtestenfalls“
• Wählen Sie aus der Vielzahl an Quellen je die einschlägigsten aus.
Bitte bedenken Sie, dass wir uns redaktionsintern schon sehr intensiv mit Ihren Textversionen auseinandergesetzt haben und dies mittlerweile unsere Zeitressourcen zu sprengen droht. Daher gebe ich Ihnen hiermit die letzte Möglichkeit, den Text entsprechend unserer Anmerkungen anzupassen. [...][/quote}
Ganz ehrlich, das sit mir jetzt alles zu doof. Ich habe das hier geantwortet, damit ist der Kuchen für mich gegessen:
[quote}[...]Ich finde es ebenfalls bedauerlich, dass wir uns leider im Kreis zu drehen scheinen und wohl nicht zusammenkommen können. Ich zolle dem durchaus Respekt, dass Sie sich so intensiv mit meinem Artikel auseinandersetzen und kann mir vorstellen, dass die anderen Beiträge des Exposees nicht diese Intensivbetreuung erfahren haben. Wenn dem so ist, muss ich mich aber natürlich auch fragen, warum das dann bei meinem Artikel der Fall ist.
Leider kann ich mich dabei jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass es hier um ein grundlegenderes, aber unausgesprochenes Problem gehen könnte, dass Sie mit meinem Artikel zu haben scheinen: Ich kann nur spekulieren, ob es mglw. der Tenor / das Resümee des Artikels (auch wenn dieses eindeutig belegt ist und kaum Gegenstand Ihrer Kritik war), der mit der Länge des Artikels verbundene Preis desselben (was ich mir eigentlich kaum vorstellen kann) oder Dgl. ist. Jedenfalls empfinde ich es als äußerst irritierend, dass Sie…
… leider nicht auf meine (sehr ausführlichen) Ausführungen eingehen, warum eine allg. Vorstellung der Theorien der Mediengewaltwirkungen die Beantwortung der Leitfrage ("Aggressiv durch Mediengewalt?") denklogisch nicht leisten kann (und damit, wenn es um notwendige Textkürzungen geht, entbehrlich ist) und nur mit einer (im Rahmen des Möglichen umfassenden) Analyse der Methodologie möglich ist. Jedenfalls dann, wenn es das Anliegen ist, dass man seine Leser aufklären möchte (und ich nehme an, das ist doch die eigtl. Intention).
… sich von E-Mail zu E-Mail immer mehr einen Artikel von mir wünschten, der vom vertraglich Vereinbarten immer weiter abwich: Mein Exposee – als Grundlage meiner Beauftragung Ihrerseits – war bzgl. des zu erwartenden Inhalts unzweideutig und auch unser Vertrag legt fest, dass dieses Exposee die Basis meines Artikels sein soll (woran ich mich gehalten habe). Wir haben eben keinen Artikel zu(m Für und Wider der) Mediengewaltwirkungstheorien vereinbart. Sie wollen also nichts weiter, als lediglich einen komplett anderen als den vereinbarten Artikel. Auch unter Berücksichtigung des Zeitpensums, welches in die Erstellung und (zweimalige) Überarbeitung des Artikels bereits geflossen ist, ist das nicht mehr angemessen, denn auch ich habe mich (offensichtlich) sehr intensiv mit meinem Artikel auseinandergesetzt und möchte diesen – wie vorletztes Mal kundgetan, eigentlich jetzt so belassen. Meine scherzhafte Anmerkung zu Beginn meiner vorletzten E-Mail hatte da auch etwas Wahres: Selbst bei voller Vergütung des Artikels wäre mein Stundenlohn jetzt schon sehr, sehr, sehr weit unter dem Mindestlohn. Aber ich habe ja schon angemerkt, dass es mir kein finanzielles, sondern ein aufklärerisches Anliegen war, diesen Artikel zu schreiben.
… Ihre Wünsche spontan zu ändern scheinen, so bspw. als ich doch bitte ein medienpädagogisches Resümee verfassen sollte, dann aber – auf meinen Hinweis hin, dass dies unangemessen sei – doch nicht mehr. Auch zu nennen hier und da dann ad hoc-Anmerkungen, dieses oder jenes doch auch zu ändern, wie z.B. den Umfang der Quellenverweise (mal ist deren Länge kein Problem, mal ist sie es…).
… Vereinbarungen zwischen Ihnen und mir zu meinen Ungunsten ausgelegt werden. Hier zu nennen ist die per E-Mail zunächst nach oben hin prinzipiell geöffnete Limitation der Zeichen – die ja nicht so gemeint gewesen sei (was ich auch durchaus glauben kann, was dann allerdings trotzdem opak kommuniziert wurde) –, die Neufestsetzung eines Zeichenlimits auf 30.000 Zeichen und jetzt die Forderung, von der Zeichenzahl der aktuellen Inkarnation meines Artikels abermals – wenn möglich – auf die Hälfte zu kürzen (also von aktuell ca. 27000 auf 13500 Zeichen, also nochmal deutlich unter der Zeichenmenge, die im Vertrag steht...).
… Ihre Kritik wiederholen, obwohl – mit Ausnahme des vmtl. „Theorien vs. Methodik“-Problems (s.o.) – sämtliche Kritikpunkte ausgeräumt wurden: Der Text wurde massiv gekürzt und sprachlich auf allen Ebenen so sehr vereinfacht, wie irgend möglich (ohne in sog. "einfache Sprache" zu verfallen). Da mangelt es mir schlichtweg an konkreten Beispielen, wo die Allgemeinverständlichkeit nicht mehr gewährleistet sein soll und womit sich Ihre Suggestion befeuert, ich schriebe mit diesem Artikel für die Forschung (ich empfehle hier die Kontrastierung mit meiner Diss., um des Unterschieds gewahr zu werden). Wir haben hier doch die "interessierte Öffentlichkeit" vor Augen [und kann mir als Lehrer ziemlich gut vorstellen, wo bspw. die kognitiven Kompetenzen Jugendlicher und junger Ewachsener zu verorten sind – an deren Verständnishorizont habe ich mich bei den letzten beiden Fassungen auch maßgeblich, tatsächlich auch unter Rücksprache mit meinen Schülern(!) - orientiert; wenn jene den Artikel verstehen, sollten das Erwachsene im Allgemeinen doch auch]. Was traue ich dieser zu, das Sie ihr absprechen?
… mir jetzt bei "seltenst" oder "schlechtestenfalls" salopp "kreative Wortschöpfungen" unterstellen!
… mir ggü., um ehrlich zu sein, zumindest in unseren ersten E-Mails – das hat sich eindeutig gebessert – einen m.E. unverdient despektierlichen Ton anschlugen und mir da der Eindruck entstand, dass nicht auf Augenhöhe (wie es so schön scheint) kommuniziert werden sollte. Ich habe dies aber dem geschriebenen Wort und dessen Tücken geschuldet.
… nun suggerieren, mein Text habe keinen "roten Faden". Von allen Vorwürfen ist das tatsächlich derjenige, den ich am gravierendsten wahr-, ja fast schon persönlich nehme. Wo mangelt es dem Artikel an Kohäsion? Wenn Sie den Artikel schlichtweg nicht interessant finden, dann wäre das ein andere Problem, aber da würde ich mich auch fragen wollen, warum Sie mich dann dahingehend beauftragt haben und inwiefern das für die interessierte Öffentlichkeit von Belang wäre, ganz abgesehen von der Subjektivität von Interessiertheit.
Auch wenn zur Beantwortung der Leitfrage die Schwerpunktverlegung auf den Theorienteil m.E. weder möglich noch redlich ist (ich möchte den Lesern ungern ein "O" für ein "U" vormachen), ich müsste ja auch mit meinem Namen dafür bürgen, könnte man den Text natürlich noch weiter kürzen, was allerdings dann wohl tatsächlich auf Kosten der Kohärenz ginge, zumal mir keine Alternative einfällt, die nicht darauf hinausläuft, dann nur noch einfache Tatsachenbehauptungen zu bieten (mit Quellenbeleg selbstverständlich). Also anstatt darzulegen, warum die Forschung den Nachweis der Förderung aggressiver Gedanken (methodisch) schuldig geblieben ist, einfach zu behaupten, dies sei so. Entschuldigung, aber das trägt m.M.n. nicht zur strapazierbaren Förderung/Bildung mündiger (und d.h. auch informierter) Bürger bei. Das wäre die von Ihnen angemahnte "falsche Richtung", weshalb auch die angekündigte "Variante B" des Artikels meinerseits nicht vollendet werden konnte und die Ihnen vorliegende "Variante A" die ultimative Fassung des Artikels bleiben muss [sofern man ihn nicht verlängert(!), um den Theorienteil wieder zu illustrativen Zwecken zu ergänzen).
Alles sehr bedauerlich und für mich eigtl. auch ein Indiz, dass ich es Ihnen wohl gar nicht recht machen könnte, so sehr ich es auch versuchte (und ich habe es wirklich sehr, sehr, sehr ausgiebig versucht). Ich befürchte, das Haar in der Suppe, würde noch gefunden werden oder man beklagte sich, dass es keine Tomatensuppe ist, obwohl Erbsensuppe bestellt wurde.
Umso bedauerlicher, dass hiermit – zumindest in dem Format – den Lesern die Chance genommen wurde, sich allgemeinverständlich, aber profund mit der Leitfrage auseinandersetzen zu können (und z.B. ein Gegengewicht zu dem – mit Verlaub – unsäglichen ApuZ 3/2011-Artikel von Ingrid Möller, "Gewaltmedienkonsum und Aggression", bei der BPB zu haben…).
Wie bereits geschrieben: Sehr bedauerlich.
Da bleibt mir nur die anfangs schon skizzierte Frage, warum ich denn mit der Anfertigung des Artikels überhaupt in erster Linie beauftragt wurde, wenn man dann doch eigentlich etwas komplett anderes haben wollte. Dies erschließt sich mir leider nicht.[...]
"In the beginning there was violence. Cain slew his own brother Abel according to Genesis and he didn't even have a video tape recorder."
~ Gunnel ARRBÄCK