Patrik wrote:Zur BPjM habe ich noch was in Vorbereitung, in dem auch steht, dass noch nie nur wegen Hakenkreuzen indiziert wurde.
Ich wäre mir nicht mal bei der Formulierung sicher. Zunächst müssen wir auch einmal differenzieren: Propagandamittel nach § 86 StGB sind klar von kommerziellen Produktionen abzugrenzen. Erstere sind Hinterhofproduktionen, die auch in (Rest-)Europa keinen Vertrieb finden. Nun ist es sicherlich so, dass bei all diesen "KZ Simulatoren", "Hitler Shows" oder "Arier Tests" auch die verfassungswidrigen Kennzeichen, wenn sie denn vorkommen, eine Rolle für die Indizierung gespielt haben (aber nicht als Indizierungskriterium im Sinne von § 86a StGB). Bei kommerziellen Spielen wäre mir kein Fall bekannt. Selbst ein Black Ops, welches auf Listenteil B indiziert wurde (Umtragung erfolgte alsbald), wurde wohl nicht wegen der verwendeten Symbolik derart geächtet. Dennoch bin ich mir sicher, dass die BPjM diese bemerkt und erwähnt hat. Bezogen auf die nicht vorhandende Indizierungspraxis in diesen Fällen kann auch auf die diversen Original-Versionen von in Deutschland nur (im Wesentlichen) um die Symbolik befreiten Spiele hingewiesen werden (bspw. neuere Wolfenstein-Teile von Bethesda, The Saboteur, Turning Point: Fall of Liberty, ältere Call of Duty-Teile, uvm.)
Bezogen auf die Indizierung von Wolfenstein 3D schreibt Rechtsanwalt Osborne Clarke:
In der Begründung legte die damalige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften allerdings Wert auf die Klarstellung, dass die Indizierungsentscheidung auf der intensiven Gewaltdarstellung und gerade nicht auf der Verwendung von Hakenkreuz und Hitlerbild beruhe.
http://spielerecht.de/wp-content/upload ... -Haken.pdf (PDF)
Die Indizierungsentscheidung selbst habe ich nicht gelesen. Falls wer hier die Nummer kennt, wäre das schon mal ein Anfang. Bekannt gemacht wurde sie jedenfalls im Bundesanzeiger Nr. 20 vom 29.01.1994. Im Übrigen gibt es auch ein Urteil von 1998 des AG München auch bezogen auf Wolfenstein 3D. Dort wurde allerdings nicht auf § 86a StGB erweitert, sondern nur die Listenaufnahme des Shooters zum Thema gemacht. Ob das jetzt nur nicht bekannt war, dass diese Inhalte vorlagen, oder es egal war, weiß ich nicht.
http://www.artikel5.de/artikel/urteil1.html
Die deutsche Wikipedia behauptet sogar:
Auch wegen der Vorgängerspiele hatte es bereits Strafverfahren wegen der Verwendung von NS-Kennzeichen gegeben. Diese endeten teilweise mit einer Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage gemäß § 153a StPO, teilweise mit einem Freispruch, da es ein „antifaschistisches Computerspiel“ sei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Wolfenste ... lagnahmung
Da hier jede Fußnote, jeder Beleg fehlt und nicht mal auf das absurd einflussreiche Urteil des OLG Frankfurt eingegangen wird, würde ich dem aber auch nicht viel beimessen.
Nun habe ich der BPjM auch mal einen Hinweis auf den Stern-Artikel gegeben, da es wohl in ihrem Interesse sein dürfte, dass sie nicht derart falsch dargestellt werden. Und auch nochmal for the record: § 86 (Propagandamittel) und § 130 (Volksverhetzung) StGB sind nicht von Relevanz bei kommerziellen Spielen. Dafür werden diese auch einfach zu restriktiv ausgelegt. (Eine Ausnahme wäre vielleicht, wenn 1:1 Nazi-/Hitler-Reden eingebaut werden, aber wo wird das schon).
Auch würde ich es schätzen, wenn etwas mehr auf die Rolle der USK eingegangen wird. Diese vertritt durchaus die Ansicht, dass sie Spiele mit Symbolen pauschal nicht kennzeichnen darf, z. B. auf Twitter und verlinkt dazu an zweifelhaften, für sie nützlichen journalistischen Aufarbeitungen.
https://twitter.com/USK_de/status/885440937207398402 Immer wieder wird entgegnet, dass die USK doch nicht relevant sei, da ihre Jugendentscheide nach dem JuSchG entfallen. Sicherlich ist das so, doch versprechen diese Kennzeichen bekanntlich Rechtssicherheit. Nicht nur bezogen auf eine Indizierung der BPjM, welche sowieso nicht denkbar wäre, sondern vor allem auf strafrechtliche Verantwortung. Die h.M. ist in dem Punkt wohl klar, dass bei einer Freigabe der OLJB eine Verbreitung (bezogen auf die korrekte Altersgruppe) legal sein muss, sonst läge ein Verbotsirrtum vor.
Alle bekannte Filme, die immer wieder mit den Spielen verglichen werden, haben den Segen der FSK und damit auch in gewisser weise der Gesellschaft (pluralistische Gremien). Blickt man mal in den Bereich Print, Comics vor allem, wird man feststellen, dass diese zwar von der Quasi-Vorzensur einer Default 18er-Freigabe ausgenommen sind, aber leider auch auf keine Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle zurückgreifen können und so auch oftmals lieber Symbole aus deutschen Veröffentlichungen tilgen. Daher sage ich auch klar, dass das Problem nur mit der USK gelöst werden kann, nicht ohne sie. Verpflichtungsklage auf Kennzeichenerteilung vor dem VG Düsseldorf, gegen das Land NRW, wäre eine Option. Ansonsten wäre es denkbar, mittels einer Juristenkommission wie die SPIO sie hat durch ein Privatgutachten die Rechtssicherheit für den Vertrieb zu gewinnen (aber hier ggf. eher nicht den Segen der Gesellschaft und damit wenig elegant).
Dann möchte ich noch darauf hinweisen, dass es sicherlich sinnvoll ist, wenn die Diskussion (vor allem auf Twitter letztens) von der allgemeinen Symbolik-Zensur weg will und die kritischeren Anpassungen anspricht. Das ist ja gut, doch ist die Symbolik-Zensur der unmittelbare Grund für das Entfernen allen Jüdischen, die Nicht-Thematisierung des Holocausts in Wolfenstein 2, der fraglosen KZ-Zensur in The New Order. Erst wenn diese Symbol-Belastung wegfällt, also das Hakenkreuz gezeigt werden kann, wird auch das Thema in den Wolfenstein German Editions behandelt werden. Da bin ich mir sicher.
Es kann auch auf das vor Kurzem veröffentlichte tschechische Serious Game zweier Hochschulen, Attentat 1942, hingewiesen werden. Dieses ist weltweit auf Steam im Angebot, außer in Deutschland. Einnahmen fließen laut Steam Store-Angabe in die Wissenschaft und Forschung in diesem Themenbereich zurück. Im Wesentlichen besteht das Spiel aus historischen Aufnahmen und Zeitzeugen-Interviews, welche natürlich authentisch sein wollen/sind. Jetzt ist das Marketing hier sicherlich nicht optimal in diesem Sinne, bei „Attentat 1942“ habe ich andere Assoziationen (kurios übrigens, dass der offizielle Twitter-Account 88 Accounts folgt). Dennoch halte ich es für höchstfragwürdig, wenn gerade hier eine „special version“ (Zitat Entwickler) für Deutschland angefertigt wird. Ich sehe schon die schwarzen Balken in den Schwarz-Weiß-Aufnahmen vor der Hakenkreuz-Flagge und mir wird leicht schlecht, wenn auf n-tv und n24 entsprechende Dokumentationen laufen. Ob der
Mainstream darüber mal berichtet? Mein Tipp an die GameStar ging wohl unter, dabei hätten sie nur von meinem Artikel abschreiben brauchen bzw. kurz gegenrecherchieren. Oh well.
Dann existiert ja noch dieser Kommentar der GamesWirtschaft-Chefredakteurin. Wie man derartige Ressentiments gegenüber Videospielen haben kann und so einen Posten innehat, weiß ich nicht so recht. Jedenfalls ist es doch an sich schon eine eklatante, pauschale Ungleichbehandlung, die es faktisch gar nicht geben darf. Aber da ist sie auch nicht allein. GameStar-Redakteure ticken teils genauso. Was soll denn diese Skepsis, dieses Misstrauen gegenüber Videospielen? Selbst bezogen auf wertungsfreie Strategiespiele im Zweiten Weltkrieg, die dann korrekt beflaggt würden. Alleine da muss man schon mal innehalten, wie etwas das „korrekt“ ist, „falsch“ sein kann. Was ist denn besser, wenn diese alle das Unrechtsymbol (bzw. das zum Unrechtsymbol pervertierte Symbol) vermeiden und ein Eisernes Kreuz in die Hakenkreuzflagge setzen, nur damit man das böse Hakenkreuz nicht sehen muss? Glauben dies Leute ernsthaft, dass Kinder und Jugendliche zum Nationalsozialismus konvertieren, weil sie mit ein paar Hakenkreuze spielen, oder diese vermehrt auf die Schulbänke schmieren? Hakenkreuze sind doch auch so schon überall im TV zu sehen. Da kann man gleich die Wikipedia für Symbolnutzung im Kontext Lehre verklagen (oh wait, that happend).
Gleiches Spiel mit der USK-Version von Steel Normandy 1944 (bzw. quasi USK-Version, da der Beratungsdienst wohl genutzt wurde, das Spiel aber keine Freigabe hat). Da macht man auf Anraten der USK aus dem verurteilten Kriegsverbrecher Kurt Meyer einen anderen Waffen-SSler derselben Ranks, der aber im Jahr 1944 alsbald umgekommen ist. Ja klar, das Spiel thematisiert nicht die Verbrechen vom „Panzermeyer“, weshalb auch eine simpler Portrait- und Biographie-Austausch genügte. Doch was bringt diese Änderung? Jene, die von den Verbrechen im Dritten Reich wissen, wissen es nun mal und sind vielleicht von der Darstellung angewidert (siehe auch bezogen auf die Wehrmacht:
http://www.eurogamer.de/articles/2017-0 ... pielen-mag). Jene, die es nicht tun, weil das Schul-Curriculum in der Jahrgangsstufe des Rezipienten noch nicht den Zweiten Weltkrieg thematisiere oder sie Bildungsversager sind, merken’s halt nicht; vielleicht googeln sie den Typen dann aber mal und ihnen fällt etwas auf. Diese Änderung ist doch an sich eine Verharmlosung, egal ob die Verbrechen im Spiel thematisiert werden, oder nicht. Dass ein verurteilter Kriegsverbrecher überhaupt inkludiert wurde, ist doch schon eine Ablehnung des Nationalsozialismus. Das wäre in etwa so, als ob dafür kritisiert wird, die Schoah zu erwähnen, aber nicht die genauen Opferzahlen. Da hat sich die USK m.M.n. ein Eigentor geschossen.
Kurios auch, wenn behauptet wird, die deutschen Versionen der Wolfenstein-Teile wären schlicht andere Universen, in denen es Nazis und Juden nicht gibt. So blind zu sein, ist wirklich erstaunlich, wenn alles nach Nazi aussieht. Aber okay, wenn auch Starship Troopers lange Zeit geächtet war, bis es dann eine FSK 16 bekam, dann passt auch das vielleicht. Dann ist es vielleicht auch keine Ungleichbehandlung, sondern eine Gleichbehandlung nur etwas zeitversetzt.